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Financial Times Deutschland  Januar
2001
Unternehmen erklären Fitness zur Chefsache
Sein Schlüsselerlebnis hatte Hans-Joachim Küpper vor rund 20 Jahren.
Ein Freund hatte den Geschäftsführer des Automobilzulieferers H.
J. Küpper in Velbert zum Richtfest nach Bremerhafen eingeladen.
Einzige Bedingung: Er und noch einige andere Gäste, die aus derselben
Gegend kamen, sollten mit dem Fahrrad die 250 Kilometer in den hohen
Norden strampeln. Küpper, damals noch Raucher, machte auf halber:
Strecke schlapp und erkannte: "So geht es nicht weiter". Laktat-Werte
attestierten dem damals 36-jährigen die Kondition eines Mittfünfzigers.
Der beruflich stark angespannte Manager verbannte die Glimmstengel,
schaffte sich einen Hometrainer an und entdeckte den Sport neu.
Vor einigen Monaten stellte er beim Blick in die Runde seiner leitenden
Angestellten fest, dass ihnen Bewegung ebenfalls nicht schaden könnte.
Statt einer herkömmlichen Management-Tagung buchte er bei der Firma
Health Conception' aus Salem ein Gesundheitsseminar. Zwei Tage in
einem Luxus-Wellness-Hotel auf der Insel Juist für I5 Mitarbeiter
für rund 3000 DM pro Kopf mit Gesundheits-Check, Leistungsdiagnostik,
Ausdauertraining, Dehnprogrammen, Sauna, Massage, Vorträgen wie
das "Das Geheimnis grenzenloser Energie" und "Brainpower-Leistungssteigerung
durch Meditation".
"Das Geld war gut investiert", sagt Küpper. Der Tenor unter den
Managern: "Uns geht es besser. Wir sind belastbarer geworden." Inzwischen
nutzen die Mitarbeiter die Mittagspause für einen Spaziergang an
der frischen Luft. Einige haben die Ernährung umgestellt, den Sport
in ihren Tagesplan integriert. "Wem es besser geht, der macht auch
einen besseren Job und das kommt der Firma zugute", sagt Küpper.
Bei der amerikanischen Brauerei Coors Brewery, lässt sich der Effekt
sogar in Zahlen messen. Sie investierte 600.000 $ in ein Gesundheitsprogramm
für Mitarbeiter und verzeichnete durch steigende Produktivität bei
abnehmenden Krankheitstagen einen Gewinn von 1,9 Mio. $.
Richtige Ernährung, Bewegung zum Ausgleich für stundenlanges Sitzen
- Binsenweisheiten, die so klar sind wie die Erkenntnis, dass Alkohol
und Rauchen der Gesundheit schaden. Gesundheitspäpste der neuen
Fitness-Welle wie Ulrich Strunz ("Forever young") erzählen auf ihren
Vorträgen und in ihren Büchern im Kern nichts anderes: Iss weniger,
beweg dich mehr, schau auf einen Ausgleich. Derlei Erkenntnisse
kosten Zuhörer mehr als 2000 DM. Ludger Ciré vom Institut für Arbeits-
und Sozialhygiene (IAS) in Karlsruhe sagt dazu: "Die Leute glauben
heute Banalitäten nur noch, wenn teure Experten sie ihnen erklären."
Doch dass gerade diejenigen, die im Beruf viel Verantwortung tragen,
oftmals verantwortungslos mit ihrem Körper umgehen, ist nach wie
vor Fakt: Jede vierte Führungskraft ist gesundheitlich gefährdet,
ergab eine Untersuchung des IAS bei 1000 Managern. Drei von ihnen
klagten über Gelenk- und Rückenschmerzen. Jeder fünfte attestiere
sich psychische Beschwerden in Form von Reizbarkeit, Schlaflosigkeit,
depressive Stimmung und Erschöpfung. Die Ursachen für die Gefährdung
nennt Ciré: "Zeitmangel, Stress, dadurch bedingter Bluthochdruck,
Vernachlässigung der Gesundheit." Zwar wiesen Manager laut IAS innerhalb
der zwölf wichtigsten Berufsgruppen das geringste Herzerkrankungs-Risiko
auf. In puncto Gesundheitsvorsorge besteht ein "erheblicher Nachholbedarf"
bei den Spitzenkräften, sagt Professor Rainer Seibel, Leiter des
Mülheimer Radiologie Instituts (MRI). Dynamische Manager litten
nach neuesten Untersuchungen der Internationalen Arbeitsorganisation
in deutlich höherem Maße an psychischen Beschwerden. "Stress" ist
heute zu einem der größten Gesundheitsrisiken in deutschen Chefetagen
geworden", sagt Ernst Rudolf Fissler, Initiator des In.Balance-Programms
von HDP Health Development Partners in Königstein. Allein der "Workout"
also Sport, schütze vor dem "Burnout", sind sich die Experten einig.
Ilka Faupel, Geschäftsführerin der Münchner Firma The Health Performance
Group, kann ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein bei Managern nicht
feststellen. "Größer ist auf jeden Fall das schlechte Gewissen."
Die ehemalige Top-Managerin aus der Kosmetik-Industrie entdeckte
im Zeit-Problem ihre Marktlücke. Sie bietet ihren mehr als 400 Kunden
in über einem Dutzend Städten Deutschlands den Personal Trainer
auf Bestellung an. 70 Trainer - Sportlehrer und Physiotherapeuten
mit Zusatzausbildungen in Entspannungs- und Ernährungslehre - stehen
kurzfristig bereit. Zunächst werden Fitness und Ernährungsverhalten
getestet und ein individueller Trainingsplan und ein individueller
Trainingsplan erarbeitet. Dafür müssen 1990 DM berappt werden. Dann
können Trainerstunden gebucht werden, das Zwanzig-Stunden Abo zum
Beispiel für 3400 DM.
Die viel beschäftigten Manager betrachten den Sport als Termin mit
sich selbst. Michael Steiner, Geschäftsführer der deutschen Tochter
der Boston Consulting Group, erfuhr von einem Freund in den USA
von dem Personal-Trainer-Trend und kam mit Ilka Faupel in Kontakt.
Der Trainer holt ihn aus dem Hotel ab, Gymnastik, Joggen, Partner-Übungen
stehen auf dem Programm. "Eine feste Verabredung mit mir selbst
kann ich ja nicht canceln", sagt der 44-jährige.
Der Markt für Gesundheitsseminare und selbstständige Personal Trainer
sei inzwischen "unübersehbar" geworden, sagt Ludger Ciré vom IAS
in Karlsruhe. Die Spreu werde sich aber schnell vom Weizen trennen,
"weil die Manager Wert auf Qualität legen". "Man muss als Manager
heute da abgeholt werden, wo man sich gerade befindet", sagt Hans-Joachim
Küpper. Radtouren über 250 Kilometer gehören bei ihm inzwischen
zum Aufwärmprogramm. Seit seinem sportlichen Gau auf dem Weg nach
Bremerhaven steht mit seinen Kumpels regelmäßig eine persönliche
Tour de France auf dem Programm: 1000 Kilometer am Stück.
Frank Gerstenberg
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