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VDI-Nachrichten  Januar 2001
Auf Abruf eine Stunde Fitness
Erinnern Sie sich noch an dieses kleine Comic-Männlein, das Anfang
der 70er Jahre versuchte, einem durch seine unverschämte Fitness
und Allgegenwärtigkeit ein schlechtes Gewissen zu suggerieren? Mit
der Trimm-Dich-Aktion begann die Leidensgeschichte all jener Winston-Churchill-Anhänger,
die auf die Frage, wie sie es zu offensichtlicher Zufriedenheit
und Gelassenheit gebracht hätten, mit einem stolzen "No sports"
antworteten. Bis dahin hatte Unsportlichkeit etwas Aristokratisches,
das sich auch Manager aller Couleur gerne auf ihre Fahnen schrieben.
Dank des kleinen Männleins namens Trimmi entlarvten sich die Gefolgsleute
des einstigen britischen Premiers aber nun als Stubenhocker und
Ignoranten.
Inzwischen haben Führungskräfte eine radikale Kehrtwendung genommen.
Fitness gilt als Synonym für Leistungsstärke - und das nicht nur
im Sport. Wer in der Woche 30 km und mehr joggt, verfügt auch im
Geschäftsleben über einen langen Atem, lautet die simple Gleichung.
Und doch hatte sich diese Entwicklung noch längst nicht bis in alle
Führungsetagen herumgesprochen. l999 ergab eine Datensammlung des
Instituts für Arbeits- und Sozialhygiene in Karlsruhe, dass von
12 000 untersuchten Managern 85 % an vegetativen Beschwerden wie
Schlafproblemen, Magenbeschwerden, Verdauungsstörungen oder Herzproblemen
leiden, 75 % einen überhöhten Cholesterinspiegel haben, und 73 %
über Rückenschmerzen, meist verursacht durch mangelnde Bewegung,
klagen.
Da aber Manager wenig (Frei-)Zeit und unregelmäßige Arbeitszeiten
haben, bleibt keine Muße für fest terminierte Betriebssportveranstaltungen
oder Wellnesswochenenden. Fitness hat nur dort Platz; wo sich im
prall gefüllten Terminkalender eine Lücke auftut. Spontanität ist
daher gefragt. Und die wird auch vom sport-medizinischen Betreuer
gefordert. Um Nachfrage mit Angebot in Einklang zu bringen, kam
Ilka Faupel auf die glorreiche Idee, ihr Komplettangebot der Gesundheits-
und Leistungsförderung auf die individuellen Bedürfnisse und Zeitpläne
von Managern abzustimmen. Die "Personal Trainer" sind zwar keine
Erfindung der von Faupel 1998 ins Leben gerufenen "The Health Performance
Group", sie haben vielen Kollegen aber eines voraus: Wo immer ein
Manager sich auch in Deutschland aufhält - ein Trainer des Münchner
Unternehmens ist nicht weit. Faupel verspricht: "Was die Terminierung
angeht, bietet Health Performance einen außergewöhnlichen Service.
Dabei können Klienten über einzige Service-Telefon-Nummer innerhalb
Deutschlands ihre Termine buchen - egal für welche Stadt."
Ein Service, der es auch Volker T. Wiegmann angetan hat. Die Gymnastik-Lehrerin
und Sport-Therapeutin Monika Braun besucht den geschäftsführenden
Partner der Unternehmensberatung Roland Berger & Partner regelmäßig
auf dessen Wohnsitz vor den Toren Düsseldorfs - wenn es sein muss,
auch in den frühen Morgenstunden. Dem halbstündigen Walken zur allgemeinen
Ankurbelung des Herz- Kreislaufsystems folgt der eigentliche Kraftakt
wie Rückenschule. Die Führungskraft wird vorübergehend zum Geknechteten.
"Nicht absacken, die Position halten", mahnt Monika Braun mit energischer
Stimme. Wiegmann schummelt, was die Trainerin mit einem vorwurfsvollen
und unnachgiebigem "Herr Wiegmann, bitte noch einmal!" begleitet.
Ein wohltuendes "Sie dürfen jetzt entspannen", erlöst ihn schließlich
aus der Folter. Die kleinen Schmerzen aber lohnen sich. Wiegmann
will seine medizinisch-sportliche Betreuung nicht mehr missen. "Seitdem
ich die Trainerstunden in Anspruch nehme, fühle ich mich leistungsfähiger."
Stehvermögen braucht der 55-Jährige in seinem Job - und das im wahrsten
Sinn des Wortes. "Rückenprobleme haben mich dazu bewogen, die Dienste
von Health Performance in Anspruch zu nehmen. Auch meine Knie lassen
nicht mehr solche Belastungen wie extremes Joggen zu." Dabei kann
Wiegmann auf eine sportliche Vergangenheit verweisen. Im klassischen
Fünfkampf bewies er sportliche Vielseitigkeit. "Aber Studium und
Beruf ließen keine Zeit mehr für dieses Hobby." Die lange bewegungsarme
Pause hinterließ ihre Spuren. "Rücken-, vor allem aber Schulterprobleme
sind die häufigsten Beschwerden bei unseren Klienten", erläutert
Monika Braun. "Eine Folge der angespannten Haltung bei der Arbeit."
Wiegmann nimmt das Health Performance-Angebot bei fast allen seinen
Deutschlandreisen wahr. Eines aber bedauert er: "Es wäre schön,
gäbe es das Angebot auch für Städte außerhalb Deutschlands. Schließlich
führen mich meine Geschäfts auch regelmäßig ins Ausland." Ilka Faupel
kennt die Wünsche ihrer Kundschaft: "Wir wollen unseren Klienten
natürlich die gleichen Konditionen und die gleiche Qualität wie
im eigenen Land bieten. Und da fehlt es weltweit noch an geeigneten
Kooperationspartnern."
Health Performance ist nur ein weiterer Baustein auf einem rasch
explodierenden Markt. Die Tendenz erfreut auch den Fachmann: "Die
Leute kennen und warten ihren Körper schlechter als ihr Auto. Deshalb
sollten Sie sich einen Experten, sprich eine gute Werkstatt für
ihren Körper suchen", rät Uwe Boeckh-Behrens, akademischer Direktor
am Institut für Sportwissenschaft der Universität Bayreuth.
Wolfgang Schmitz
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